Eduardo Aninat
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Die Integration aller Länder in die immer
globaler werdende Wirtschaft
Eduardo Aninat
Stellvertretender Geschäftsführender Direktor, Internationaler
Währungsfonds
Hochrangige Tagung des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen
New York, 5. Juli 2000
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Verehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren, es ist eine große Ehre
für mich, an der diesjährigen Hochrangigen Tagung des Wirtschafts- und Sozialrats
der Vereinten Nationen teilnehmen zu dürfen. Gleichzeitig möchte ich das Bedauern
unseres neuen Geschäftsführenden Direktors, Horst Köhler, zum Ausdruck
brin-gen, der leider nicht teilnehmen kann. Wie Sie wissen, unternimmt er im Rahmen seiner
Bemühungen, die Rolle des IWF aus der Sicht seiner Mitglieder kennen zu lernen,
zahlreiche Reisen in verschiedene Länder unterschiedlicher Regionen. Diese Woche hat er
seinen Besuch in Afrika angetreten.
Ihre Themenstellung - die Rolle der Informationstechnologie in einer wissensbasierten
Wirtschaft, oder kurz, die Überwindung der ,,digitalen Kluft" - wirft die
entscheidende Frage auf, die ich die Frage der ,,Konnektivität" nennen möchte.
Ich beziehe mich hierbei nicht auf die Tatsache, dass manche Menschen, oder Teile der
Gesellschaft, über einen Zugang zum Internet und den neuesten hochtechnisierten
Kommunikationsmitteln verfügen und andere nicht. Es geht vielmehr um die Tatsache, dass
manche Menschen, oder Teile der Welt-gemein-schaft, an die Weltwirtschaft angeschlossen sind
und andere nicht. Manche haben an den immensen Chancen, die die Globalisierung bietet, -
höhere Investitionstätigkeit, Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum -
Teil und andere nicht.
Es überrascht nicht, dass es sich bei denjenigen, die ,,nicht angeschlossen" sind,
gleichzeitig um die Armen der Welt handelt. Diejenigen, die an den Vorteilen des globalen
Wachstums nicht teilhaben, da sie zu den grundlegenden sozialen Dienstleistungen, der
wesentlichen Infra-struktur sowie zu Verdienst- und Beschäftigungsmöglichkeiten -
geschweige denn zum World Wide Web - keinen Zugang haben. Ohne Anschluss zu sein bringt
heutzutage immer größere Kosten mit sich: der Preis dafür sind Isolation und
Marginalisierung, und das zu einer Zeit, in der die Kluft zwischen Arm und Reich innerhalb der
Länder und zwischen den Ländern bereits wächst.
Was können die Vereinten Nationen - und insbesondere der IWF - also tun, um zur
Integra-tion aller Länder in unsere immer globaler werdende Wirtschaft beizutragen? Diese
Frage möchte ich in meinen heutigen Ausführungen erörtern. Lassen Sie mich
zunächst jedoch einige Worte zu den zukünftigen weltwirtschaftlichen Aussichten
sagen, da diese unseren Handlungsspielraum maßgeblich bestimmen werden.
Bessere Aussichten für die Weltwirtschaft
Erfreulicherweise hat sich die Weltwirtschaft erstaunlich schnell von den Finanzkrisen der
Jahre 1997–1998 erholt. Nach einer zwei Jahre währenden Abkühlung
dürfte das weltweite Wachstum dieses Jahr bei ungefähr 4½ % liegen - das
höchste Niveau seit 1998 - und nächstes Jahr beinahe genauso hoch sein. Die
weltweite Verlangsamung des Wirtschafts-wachstums im Gefolge dieser Krisen erscheint heute
als von relativ kurzer Dauer. Die meisten aufstrebenden Marktwirtschaften, die einer Krise
ausgesetzt waren, verzeichnen in-zwischen ein beeindruckendes Wachstum. Hierin zeigen sich
zum Teil die entschlossenen Maßnahmen der politischen Entscheidungsträger, die
Anpassungs- und Reformbestrebungen fortzusetzen, wenn auch noch viel zu tun bleibt. Auch
andere Entwicklungsländer sowie eine Reihe im Übergang befindlicher
Volkswirtschaften tragen zum konjunkturellen Wieder-auf-schwung bei.
Dennoch dürfen wir nicht selbstgefällig werden. Drei Hauptbedenken
drängen sich auf: (1) Tun wir genug, um sicherzustellen, dass das globale Wachstum,
und damit externe Ungleich-gewichte zwischen den Hauptwährungszonen - den Vereinigten
Staaten, die nach wie vor ein starkes Wachstum aufweisen; Japan, wo sich die ersten
Anfänge einer Erholung von der Rezession abzeichnen; sowie Europa, das sich auf dem
Wege der Erholung von einer Schwäche-phase befindet, nach und nach wieder ins
Gleichgewicht kommen? (2) Entspricht der Wert der Hauptwährungen den mittelfristigen
Fundamentaldaten, insbesondere im Falle des Euro gegenüber dem Dollar? (3) Tun wir
genug, um sicherzustellen, dass erforderliche An-pas-sungen in den Finanzmärkten so
geordnet wie möglich vonstatten gehen?
Daher ist es dringender denn je, dass wir einen reibungslosen Übergang zu einer
ausge-glicheneren Verteilung des globalen Wachstums sicherstellen. Im Falle der Vereinigten
Staaten bedeutet dies Eindämmung eines übermäßigen Nachfragedrucks,
indem dafür Sorge getragen wird, die Fiskalpolitik nicht ungebührlich zu lockern. In
Japan und Europa heißt dies, strukturelle Starrheiten anzugehen, wozu auch die intelligente
Deregulierung von Schlüsselsektoren gehört. Für Lateinamerika bedeutet dies
einen weiteren Abbau der Haushaltsdefizite, um das Vertrauen der Investoren zu gewinnen und
die mit dem hohen Bedarf an Außenfinanzierung verbundenen Risiken einzudämmen.
Im Falle Asiens heißt dies Fortsetzung der Umstrukturierungen im Banken- und
Unternehmenssektor. Für Afrika bedeutet dies Intensivierung der wirtschaftlichen und
institutionellen Reformen zur Erwei-terung der Wirtschaftsbasis und Schaffung eines
förderlichen Umfelds für den privaten Sektor, dem zukünftigen
Wachstumsmotor.
Ein sichereres globales Wirtschaftsumfeld
All diese Elemente sollen zu einer Weltwirtschaft führen, die sich grundsätzlich in
einer guten Verfassung befindet und uns die dringend benötigte Gelegenheit gibt, unsere
Be-mühungen zur Sicherung der Vorteile der Globalisierung auch für diejenigen, die
,,nicht angeschlossen" sind, voranzutreiben. Natürlich handelt es sich bei der
Globalisierung nicht um ein erst kürzlich entstandenes Phänomen. Neu in der jetzigen
Phase sind jedoch die enormen Auswirkungen der neuen Informationstechnologien auf die
Integration der Märkte, die Effizienz und die industrielle Organisation - mit all ihren
Implikationen für die Entwicklung des Humankapitals.
Welchen positiven Beitrag leisten diese neuen Technologien? Sie steigern Effizienz und
Wachstum durch Senkung der Informations- und Transaktionskosten. Die Herabsetzung dieser
Kosten führt in der Regel dazu, dass die Zugangsbarrieren gesenkt werden, der
Wett-bewerb wächst und die Investitionstätigkeit steigt. Eine höhere Effizienz
der Märkte und der Strukturwandel in der Funktionsweise der Unternehmen stellen einen
positiven Angebots-Schock dar, der zu einem Quantensprung in der Gesamtproduktivität
führen könnte.
Die Fortschritte in der Informationsverarbeitung, den Finanzinnovationen und der
Liberalisierung der Finanzmärkte haben außerdem - selbst unter
Berücksichtigung der jüngsten Krisen - eine drastische Ausweitung der in- und
ausländischen Kapitalströme ausgelöst. Insgesamt hat der Kapitalverkehr
für die Bestimmung der kurzfristigen Entwicklung der Wechselkurse eine
größere Bedeutung erlangt als die Handelsströme (weltweit sind weniger als 10
% der Devisentransaktionen handelsbezogen).
Der größte Nachteil besteht jedoch darin, dass diese Ströme häufig
extrem volatil sind. Bis vor einigen Jahren waren ausbrechende Krisen zumeist auf
makroökonomische Ungleich-gewichte zurückzuführen und gingen mit einer
unausgeglichenen Leistungsbilanz einher. Heutzutage liegen die Ursachen für Krisen jedoch
zunehmend in der Kapitalbilanz und hängen mit Schwächen des inländischen
Finanzsektors zusammen. Tatsächlich traten bei allen der jüngsten Finanzkrisen
Unzulänglichkeiten in der Bankenaufsicht zu Tage. Verstärkt wurden diese in einigen
Fällen noch dadurch, dass die kurzfristigen Kapitalströme vor den langfristigen
liberalisiert wurden. Der Mangel an vollständigen oder zeitnahen Informationen über
das Ausmaß von Fremdwährungsrisiken - insbesondere bei kurzfristigen
Verbind-lich-keiten - trug nicht gerade zu einer Verbesserung der Situation bei, da es dadurch
schwierig war, entstehende Anfälligkeiten aufzudecken und geeignete politische Antworten
zu ent-werfen.
Was können die Vereinten Nationen, und insbesondere der IWF, also tun, um ein
sichereres globales Wirtschaftsumfeld zu schaffen? Die politischen Entscheidungsträger in
den ent-wickel-ten Ländern und in den Entwicklungsländern sollten nun die
entscheidenden struk-turel-len Anpassungen in Angriff nehmen, die zu oft in Erwartung besserer
Zeiten aufge-schoben wurden. Zur Unterstützung sollte der IWF seinen Schwerpunkt
verstärkt auf die Kernaktivitäten - makroökonomische Stabilität; Geld-,
Fiskal- und Wechselkurspolitik; sowie Probleme des Finanzsektors - legen und seine
Zusammenarbeit mit Entwicklungs-partnern auf anderen Gebieten, vornehmlich im sozialen
Bereich, verstärken.
In enger Zusammenarbeit mit der Völkergemeinschaft hat der IWF im letzten Jahr
weiter Wege erforscht, um Krisen besser vorzubeugen und diejenigen, die unvermeidlich sind,
besser zu bewältigen - was oft als Stärkung der internationalen Finanzarchitektur
bezeichnet wird. Wir haben außerdem weiter Möglichkeiten erkundet, um die
Institution selbst stärker zu fokussieren und effektiver zu machen, wobei die vielen
Reformvorschläge von Regierun-gen und Sonderarbeitsgruppen sorgfältig
abgewogen wurden. Wir hören zu und prüfen die möglichen
Reformansätze sorgfältig.
In vielen Bereichen wurden große Fortschritte erzielt, obwohl sich die Arbeit in weiten
Teilen immer noch in einer experimentellen Phase oder in der Pilotphase befindet. Hierzu
zählt:
- Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht;
- Entwicklung international anerkannter Standards und Verfahrenskodizes;
- Stärkung der nationalen Finanzsysteme;
- Erhöhung der Kapazität zur Bewertung der Anfälligkeit der
Länder für äußere Einflüsse; sowie
- Vorantreiben der Diskussion über die Wahl von
Wechselkurssystemen.
Lassen Sie mich einige dieser Punkte ausführen. Erstens verstärkt der IWF die
Überwachung nationaler wirtschaftlicher Entwicklungen und Politiken, insbesondere in
Fragen der Stabi-lität des Finanzsystems. Dies soll dazu beitragen, die Schaffung
und Aufrecht-er-haltung starker und gut regulierter Finanzsysteme sicherzustellen. Eine Initiative
- und zwar eine besonders innovative - ist das Programm zur Bewertung des Finanzsektors, das
letztes Jahr mit der Weltbank als Pilotprojekt gestartet wurde. Es zielt darauf ab, die
Stärken und Schwächen erkennbar zu machen, die Einhaltung der Standards
für den Finanzsektor zu bewerten und den Ländern dabei zu helfen, notwendige
Reformen des Finanzsektors zu identifizieren und deren Reihenfolge festzulegen. Hierbei werden
eine große und wachsende Anzahl an kooperierenden Organisationen, wie Zentralbanken,
Aufsichtsbehörden und Normierungsgremien einbezogen. Dies hat die internationale
Akzeptanz der sogenannten ,,Peer-Group-Review", auf der das Verfahren beruht, stark
gefördert. Bislang ist das Feedback sehr positiv, was uns jüngst dazu veranlasst hat,
den Umfang des Programms von ursprünglich 12 auf 36 Länder zu erweitern.
Zweitens brauchen Länder und Marktteilnehmer generell Ansatzpunkte zur
Prüfung der Gesundheit von Finanzsystemen und Volkswirtschaften. Aus diesem Grunde
arbeitet die Völkergemeinschaft an der Festlegung besserer internationaler
Standards und Verfahrens-kodizes. Der IWF verfügt inzwischen über
Datenveröffentlichungs-Standards und Ver-fahrens--kodizes für die Transparenz der
Fiskal-, Geld- und Finanzpolitik. Diese Daten-standards wurden vor kurzem verstärkt, um
internationale Reserven sowie die öffentliche und private Auslandsverschuldung besser zu
bestimmen. Andere Behörden entwickeln Standards für die Bankenaufsicht und
-regulierung, die Regulierung im Wertpapier- und Versicherungs-geschäft, Zahlungs- und
Abwicklungssysteme, Rechnungslegung und -prüfung, Unternehmens-steuerung und
-kontrolle und Insolvenzordnungen. Der IWF leistet ebenfalls einen Beitrag zu diesen
Bemühungen.
Drittens veröffentlicht der IWF mehr Informationen als jemals zuvor. Dies erfolgt im
Rahmen seiner Verpflichtung zu mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht,
sowohl in Hinblick auf sich selbst als auch seine Mitgliedsländer. Etwaige Skeptiker
dürfte ein Blick auf unsere Website www.imf.org
überzeugen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Veröffentlichung zeitnaher
und detaillierter Informationen die Anhäufung von Problemen verhindern kann, indem sie
die Regierungen zwingt, geeignete Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt zu ergreifen. Dies
funktioniert natürlich nur, wenn die politischen Entscheidungs-träger und die
Öffentlichkeit die Informationen ernst nehmen und in ihre Analysen ein-beziehen. Wir sind
außerdem fest davon überzeugt, dass bessere Informationen und Standards den armen
Ländern genauso nützlich - und bei der Integration behilflich - sein dürften wie
den reichen Ländern.
Hier knüpfe ich eng an das Thema Ihrer Konferenz an, denn die Revolution in
der Infor-ma-tions-technologie hat die Kommunikation revolutioniert. Die Herausforderung
besteht nun darin, die Informationen, die zur Verfügung stehen, sinnvoll zu nutzen. Bis vor
ungefähr 15 Jahren war der IWF die größte, wenn nicht sogar die einzige
Informationsquelle in Hinblick auf die Wirtschaft sehr vieler Länder. Es war unsere
Aufgabe, Informationen zu erfassen, in großen Mengen zu speichern und zeit- und
länderübergreifend kompatibel zu machen. Obwohl wir diese Rolle für einige
Länder noch immer inne haben, verlagern sich unsere Aktivitäten zunehmend auf die
Festlegung von Standards und Kodizes für die Informationen, die die Länder selbst
sammeln. Dies erfordert die Erfassung zeitnaher, umfassender Daten aus Ländern der
ganzen Welt in einem einheitlichen Format.
In anderen Bereichen der Reform-Agenda liegt der größte Teil der Arbeit jedoch
noch vor uns. Dies betrifft insbesondere die Rolle des privaten Sektors bei der Vorbeugung und
Lö-sung von Krisen. Doch auch hier sind bereits einige Grundsätze erkennbar. Der
Geschäfts-führende Direktor, Horst Köhler, hat sich eindeutig für ein
,,konstruktives Engagement" aus-gesprochen - Kooperation zwischen den
Kreditnehmerländern, dem privaten Sektor und den internationalen Institutionen, in guten
Zeiten wie auch in Krisen. Als Teil dieser Strate-gie plant er die Gründung einer
Beratungsgruppe für Kapitalmärkte mit Vertretern aus dem privaten
Finanzsektor.
Stärkere Konzentration auf die Armutsbekämpfung
Was bedeutet dieses Streben nach einem sichereren globalen Wirtschaftsumfeld für die
Armen in der Welt? Es bedeutet, dass die Völkergemeinschaft sicherzustellen versucht, dass
alle an den Vorteilen der Globalisierung teilhaben. Es bedeutet, dass wir ein inklusives
Wachstum anstreben, nicht lediglich ein Wachstum für die Elite. Es bedeutet, dass der
IWF in enger Zusammenarbeit mit der Weltbank, den Vereinten Nationen und anderen Partnern
weiterhin der Armutsbekämpfung hohe Priorität einräumt. An dieser Stelle
möchte ich be-tonen, dass es sich bei der Armut um ein mehrdimensionales
Phänomen handelt, das nicht nur durch das Fehlen eines angemessenen Einkommens
sondern auch durch einen fehlenden Zugang zu den grundlegenden sozialen Dienstleistungen und
durch allgemeine soziale Aus-grenzung gekennzeichnet ist.
Wir verstehen heute die komplexen Zusammenhänge zwischen Wachstum und Armut
besser. Wir wissen schon lange, dass eine solide makroökonomische Politik das Wachstum
fördert. Wir wissen auch schon lange, dass sich eine solide makroökonomische
Politik und wachs-tums-fördernde Strukturreformen zugunsten der Armen auswirken, da
Wachstum bei weitem die bedeutendste Quelle der Armutsbekämpfung ist - ein Punkt, den
ich nicht genug hervor-heben kann - und auch eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen
Finanzierung gezielter So-zialausgaben spielt. Heute wird aber stärker anerkannt, dass die
Kausalbeziehung auch in die andere Richtung wirkt. Armutsbekämpfung und soziale
Gerechtigkeit können Politik-maßnahmen unterstützen. Dies gilt z. B. für
Investitionen in die primäre Bildung und grundlegende Gesundheitsversorgung, die die
Möglichkeiten der Armen, an der Produktion mitzuwirken, verbessern, was wiederum das
Wirtschaftswachstum beschleunigt. Ohne die Bekämpfung der Armut ist es schwierig,
solide makroökonomische Politiken und Struktur-reformen so lange aufrechtzuerhalten, bis
die Inflation beseitigt ist und die Wachstumsrate steigt. Es ist unwahrscheinlich, dass die politische
Unterstützung ausreicht, diesen Weg entschlossen fortzusetzen. Deshalb ist ein positiver
Wirkungskreis aus Armutslinderung, nach-haltigem Wachstum, höherer Spar- und
Investitionsquote und steigender Produktivität erforderlich.
Dies ist nicht über Nacht zu erreichen. Es kann jedoch innerhalb eines
vernünftigen Zeit-raums geschehen. Erlauben Sie mir, mein eigenes Land als Beispiel
anzuführen: In Chile ist die Armut in rund zehn Jahren deutlich zurückgegangen, und
zwar von 45 % der Bevöl-kerung im Jahre 1987 auf 23 % im Jahre 1998. Dies wurde in
einem Umfeld erreicht, das geprägt war von sehr starkem Wirtschaftswachstum und
erhöhter Preisstabilität - was wiederum zu einem realen Einkommensanstieg von
über 3 % jährlich und einem rapiden Beschäftigungswachstum führte.
Die Sozialausgaben wurden erhöht und sorgsam aus-gerichtet und geschützte und
ineffiziente Sektoren wurden dem Wettbewerb und der Mobilität ausgesetzt.
Welche Ergebnisse können wir auf globaler Ebene erhoffen? Auf dem Kopenhagener
UN-Gipfel von 1995 haben sich die Länder formell verpflichtet, den Anteil der in extremer
Armut lebenden Bevölkerung bis 2015 um die Hälfte zu reduzieren. Dies ist ein
ehrgeiziges Ziel, und es wurden bedeutende Fortschritte erreicht. Während einige Regionen,
wie z. B. Ostasien und der Pazifische Raum diese Ziele wahrscheinlich erreichen werden,
liegen andere - darunter Afrika und weite Teile Lateinamerikas und des Karibischen Raums - weit
zurück.
Unsere größten Hoffnungen richten sich nun auf einen neuen Ansatz zur
Armutsbekämpfung, den die Völkergemeinschaft im September letzten Jahres
bestätigt hat und der auf Ver-fahrens-kodizes in den Ländern und den
Geberorganisationen beruht. Die größte Neuerung besteht darin, dass sich die
Programme auf umfassende Strategien zur Armutsbekämpfung stützen, die von den
einzelnen Regierungen unter Einbindung eines breiten Spektrums an Interes-sen-gruppen,
darunter die Zivilgesellschaft und die Gebergemeinschaft aufgestellt werden. Im Mittelpunkt
stehen Eigenverantwortung, Transparenz, integre Regierungsführung sowie
Rechenschaftspflicht.
Natürlich handelt es sich hierbei um eine gemeinsame Anstrengung, bei der die
Steuerung den betroffenen Ländern obliegt und jeder Partner eine essentielle, jedoch
spezialisierte Rolle innehat. Die Weltbank leitet zusammen mit den regionalen
Entwicklungsbanken und UN-
Vertretungen die Gespräche mit den Behörden über die Gestaltung von
Politiken zur Armuts-bekämpfung - wozu auch soziale Sicherungsnetze zum Schutze der
Armen und Schwachen gehören. Der IWF leistet seinen Beitrag durch die
Unterstützung von Wirtschaftspolitiken, die ein für ein nachhaltiges, inklusives
Wachstum förderliches Umfeld schaffen. Unser wich-tig-stes Instrument ist unsere neue
konzessionäre Kreditfazilität, die Armutsbekämpfungs- und
Wachstumsfazilität, die an die Stelle der ESAF trat.
Verstärkte Schuldenerleichterung
Eine weitere wichtige Komponente dieses neuen Ansatzes ist eine erweiterte
Schulden-initiative, auf die sich die Völkergemeinschaft im September letzten Jahres
geeinigt hat, um den hochverschuldeten Ländern der Welt eine tiefere, schnellere und
umfassendere Schul-den-erleichterung zu gewähren. Hierbei geht es um ungefähr 36
Länder - zumeist in Afrika - anstelle der ursprünglichen 29 Länder. Das
Ergebnis sollte eine Reduzierung der Auslands-verschuldung dieser Länder um insgesamt
beinahe zwei Drittel sein.
Warum vollzieht sich der Schuldenerleichterungsprozess nicht schneller? Liegt es daran, dass
IWF und Weltbank auf starren oder unvernünftigen Konditionen beharren? Lassen Sie uns
einige der frühen Fälle betrachten, bei denen wir von einem schnelleren Vorgehen
abgehalten werden. Die Gründe liegen in bewaffneten Konflikten, inneren Unruhen,
Problemen der Re-gierungs-führung und größeren Abweichungen von
Wirtschafts-, Sozial- oder Struktur-pro-gram-men - nicht in Verzögerungen, so
möchte ich meinen, die auf ,,starre oder unver-nünf-tige Konditionen"
zurückzuführen sind. Die Initiative kann nur dann zu Armutsbekämpfung und
Wachstum beitragen, wenn die Bedingungen zur effektiven Nutzung der zusätzlichen
Ressourcen und zur Unterstützung der Entwicklungs-Agenda des Landes gegeben sind. Der
IWF und die Weltbank sind entschlossen, alles Mögliche zu unternehmen, um den Prozess
zu beschleunigen. Deshalb haben wir vor kurzem einen Gemeinsamen Umsetzungsausschuss
gegründet, um die rechtzeitige und effektive Ausführung dieser Programme zu
beauf-sich-ti-gen. Eine größere Schuldenerleichterung bringt allerdings einen
höheren Finanzierungs-be-darf mit sich. Dieser wird sich 1999 für multilaterale
Gläubiger auf einen Barwert von un-ge-fähr 14 Mrd. $ belaufen. Die Finanzierung ist
noch nicht ganz gesichert, es besteht noch eine Finanzierungslücke - ohne IWF und
Weltbank - in Höhe von ungefähr 5,5 Mrd. $. Ich kann nicht genug betonen, wie
dringlich es ist, dass die entwickelten Länder ihre einge-gan-ge-nen Verpflichtungen
einhalten.
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Abschließend möchte ich dazu aufrufen, uns zusammenzutun und die enormen
Möglich-kei-ten zu ergreifen, die uns das stabilere wirtschaftliche Umfeld und die
gegenwärtige ruhige wirtschaftliche Lage bieten. Es ist an der Zeit, mutig die schwerer zu
bewältigenden Reform-bereiche anzugehen, die sich im Zeitalter der globalen Märkte
als so entscheidend erweisen. Wir werden auch in Zukunft mit der Globalisierung konfrontiert
sein. Unsere Ziele sind letztlich ein höherer Lebensstandard, die Beseitigung der Armut und
geteilter weltweiter Wohl-stand - und um das zu erreichen, müssen wir sicherstellen, dass
alle Nationen vollständig an die globale Wirtschaft angeschlossen sind. Wir dürfen
keine Zeit verlieren!
IMF EXTERNAL RELATIONS DEPARTMENT
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