HÖHEPUNKTE
Wahrung von Stabilität trotz Unsicherheiten
Der IWF sah sich im Geschäftsjahr 2002 in einem ungewöhnlich
unruhigen weltwirtschaftlichen Umfeld mit bedeutenden neuen Herausforderungen
konfrontiert. Diese stellten erhöhte Anforderungen an die Institution
in zwei ihrer zentralen Verantwortungsbereiche: Erhaltung der globalen
wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität und Bekämpfung
der Armut.
Nach einer Phase starken Wachstums erlitt die Weltwirtschaft im Kalenderjahr
2001 eine weit verbreitete Konjunkturabschwächung. Gründe dafür
waren erneute Korrekturen der Aktienkurse nach unten sowie steigende Energiepreise
und die Straffung der Geldpolitik in den Industrieländern im Jahr
2000. Die bereits schwache Weltwirtschaft wurde zusätzlich belastet
durch die Terroranschläge in den Vereinigten Staaten am 11. September
2001, die einen beträchtlichen, wenn auch im Wesentlichen vorübergehenden
Einfluss auf die wirtschaftliche Lage hatten. Anfang 2002 gab es, vor
allem auf Grund der Zinssenkungen wichtiger Notenbanken, ermutigende Anzeichen
für eine Erholung des Wachstums, obwohl in einer Reihe von Ländern
nach wie vor ernsthafte Besorgnisse bestanden.
Angesichts der vorhandenen Unsicherheiten setzte der IWF seine Arbeiten
an der Reform des internationalen Währungssystems fort und konzentrierte
sich weiter auf seine zentralen Verantwortungsbereiche, u.a. die Verhinderung
von Finanzkrisen in den Mitgliedsländern.
Im Folgenden werden einige der Höhepunkte der Arbeit des IWF im
Geschäftsjahr 2002 dargestellt:
Kreditvergabe des IWF
Die reguläre und konzessionäre Kreditvergabe
des IWF erhöhte sich in starkem Maße, da die konjunkturelle
Abschwächung der Weltwirtschaft zu einer Verschärfung der Zahlungsbilanz-Schwierigkeiten
mehrerer Mitgliedsländer beitrug, deren Zugang zu den internationalen
Kapitalmärkten eingeschränkt wurde.
- Die Zusagen im Rahmen der regulären Darlehensfazilitäten
des IWF – Bereitschaftskredit-Vereinbarungen und Erweiterte Kreditvereinbarungen
(EFF) – haben sich im GJ 2002 verdreifacht, und zwar von 13,1
Mrd. SZR (fast 17 Mrd. $) im GJ 2001 auf 39,4 Mrd. SZR1
(nahezu 50 Mrd. $). Die größten Zusagen erfolgten im Rahmen
der Bereitschaftskredit-Vereinbarungen mit Brasilien und der Türkei,
die sich auf 12,1 Mrd. SZR bzw. 12,8 Mrd. SZR beliefen. Von dem Zusagevolumen
für Brasilien wurden 10 Mrd. SZR im Rahmen der Fazilität zur
Stärkung der Währungsreserven (SRF) bereitgestellt. Ein wachsendes
Volumen von Finanzierungszusagen des IWF wird heute als vorbeugende
Zusage betrachtet, bei der die Darlehensnehmer mitteilen, dass sie nicht
beabsichtigen, die zugesagten Mittel in Anspruch zu nehmen. Nur 16 der
34 bestehenden Bereitschafts- und Erweiterten Kreditvereinbarungen wurden
in diesem Jahr tatsächlich in Anspruch genommen. Ende April 2002
beliefen sich die nicht in Anspruch genommenen Mittel auf 26,9 Mrd.
SZR.
- Die netto ungebundenen verwendbaren Mittel des IWF hatten Ende
April 2002 einen Umfang von 64,7 Mrd. SZR (82 Mrd. $). Der
Liquiditätskoeffizient (der Quotient aus netto ungebundenen
verwendbaren Mitteln und den liquiden Verbindlichkeiten) erreichte 117
% und blieb damit erheblich unter dem Vorjahreswert von 168 %; er war
aber mehr als dreieinhalb mal so hoch wie auf dem Tiefpunkt vor der
Quotenerhöhung im Jahr 1999.
- Im GJ 2002 erfolgte die konzessionäre Kreditvergabe zur Armutsbekämpfung
weiterhin im Rahmen der Armutsbekämpfungs- und Wachstumsfazilität
(PRGF) und der gemeinsamen Initiative von IWF und Weltbank für
hochverschuldete arme Länder (HIPCs). Das Exekutivdirektorium billigte
im Geschäftsjahr neun neue PRGF-Vereinbarungen mit einem Gesamtvolumen
von 1,8 Mrd. SZR und Auszahlungen in Höhe von 1,0 Mrd. SZR, verglichen
mit 0,6 Mrd. SZR im GJ 2001. Ende April 2002 hatten 26 HIPC-berechtigte
Mitglieder im Rahmen der erweiterten HIPC-Initiative und ein Land im
Rahmen der ursprünglichen HIPC-Initiative den Entscheidungspunkt
erreicht, und der IWF hatte Mittel in Höhe von 1,6 Mrd. SZR als
Zuschüsse zugesagt und rund 0,7 Mrd. SZR ausgezahlt.
Überwachung
Der IWF überwacht die Wechselkurspolitik seiner Mitgliedsländer,
um ein effektives Funktionieren des internationalen Währungssystems
zu gewährleisten. Dazu führt er regelmäßig Gespräche
mit den Mitgliedsländern über ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik
und beobachtet ständig die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen
auf Länder-, regionaler und globaler Ebene.
- Das Exekutivdirektorium schloss im April 2002 die jüngste Zweijahresüberprüfung
der Grundsätze und Durchführung der Überwachungstätigkeit
des IWF weitgehend ab. Das gegenwärtige System der Überwachung
funktioniert gut. Es ist jedoch u.a. erforderlich, institutionelle und
strukturelle Fragen stärker zu berücksichtigen, insbesondere
im Hinblick auf den Finanzsektor, und die Analyse der Schuldentragfähigkeit
zu verbessern.
- Das Direktorium diskutierte im September 2001 die Rolle des IWF bei
der Förderung eines offenen Handelssystems und der Handelsliberalisierung.
Der IWF sollte sich für die Doha-Handelsrunde einsetzen, weiterhin
handelspolitische Fragen im Kontext der Überwachung und IWF-unterstützter
Programme ansprechen, durch seine technische Hilfe die Grundlage für
die Handelsliberalisierung legen und eng mit der Welthandelsorganisation
und der Weltbank zusammenarbeiten.
Stärkung des internationalen Finanzsystems
Seit der Mexikokrise von 1994/95 und der Asienkrise von 1997/98 wurde
viel unternommen, um das internationale Finanzsystem sowie die Fähigkeit
des IWF und seiner Mitglieder zur Krisenvorbeugung zu stärken.
Außerdem wurden die Arbeiten zur Unterstützung von Ländern
bei der Krisenbewältigung vorangetrieben.
- Der IWF hat die Beobachtung der Anfälligkeit seiner Mitglieder
für externe Krisen verstärkt durch aktualisierte Projektionen
im World Economic Outlook, modellgestützte Frühwarnsysteme,
detaillierte Analysen des Finanzierungsbedarfs der Länder, Marktinformationen
sowie Beurteilungen der Anfälligkeit des Finanzsektors und der
Ansteckungsrisiken.
- Der IWF fördert die Transparenz der Politiken seiner Mitgliedsländer,
erweitert die Kenntnisse der Öffentlichkeit über seine Geschäftspolitik
und -tätigkeit und ruft nationale Behörden und die Öffentlichkeit
zu Feedback auf. Auf seiner Webseite (www.imf.org) bietet der
IWF eine Vielzahl von Informationen.
- Im GJ 2002 überprüfte der IWF seine Initiative für
Datenstandards und billigte ein Regelwerk für die Beurteilung
der Datenqualität, das in die Berichte über die Einhaltung
von Standards und Kodizes (ROSCs) integriert wird.
- Zur Stärkung des Finanzsystems setzte der IWF die Durchführung
der finanziellen „Gesundheitstests" im Rahmen des gemeinsamen IWF-Weltbank-Programms
zur Bewertung des Finanzsektors (FSAP) fort. Bis zum April 2002
hatten 27 Länder ihre FSAP-Teilnahme abgeschlossen, und weitere
50 Länder hatten ihre Teilnahme zugesagt.
- Die Diskussionen über die Bewältigung von Finanzkrisen
und die Rolle des Privatsektors wurden fortgesetzt. Ein Vierpunkteprogramm
setzt folgende Ziele: Verbesserung der Fähigkeit des IWF, die Schuldentragfähigkeit
eines Landes zu beurteilen; Klärung der Zugangspolitik für
IWF-Mittel; Verbesserung der verfügbaren Instrumente zur Einbeziehung
des Privatsektors in die Bewältigung von Finanzkrisen; sowie Prüfung
eines geordneteren und transparenteren Rechts-
rahmens für die Umstrukturierung von Staatsschulden. Gegen Ende
2001 und Anfang 2002 formulierte die Erste Stellvertretende Geschäftsführende
Direktorin des IWF, Anne O. Krueger, Vorschläge für ein neues
Verfahren zur Umstrukturierung von Staatsschulden.
- Die Arbeiten des IWF zur Bekämpfung der Geldwäsche gewannen
nach den Anschlägen vom 11. September an Bedeutung und wurden auf
die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ausgeweitet.
Kreditvergabepolitik und Konditionalität
Der IWF überprüft regelmäßig seine ''Konditionalität''–
d. h. die Bedingungen für seine finanzielle Unterstützung, um
die Rückzahlung sicherzustellen und um zu gewährleisten, dass
die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit, die Finanzstabilität
und ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum in dem kreditnehmenden Land wiederhergestellt
werden – sowie seine Zugangspolitik für seine Finanzmittel.
- Die jüngste Überprüfung der Konditionalität
betonte, dass die Konditionalität in IWF-unterstützten Programmen
in einer Weise angewendet werden muss, die die Reformbereitschaft stärkt.
Sie sollte sich auf wirtschaftspolitische Maßnahmen konzentrieren,
die von entscheidender Bedeutung für die Erreichung der makroökonomischen
Zielvorgaben des Programms sind, und eine klarere Arbeitsteilung zwischen
dem IWF und anderen Institutionen, insbesondere der Weltbank, beinhalten.
- Nach der Überprüfung der Politik des Zugangs der Mitglieder
zu seinen Finanzmitteln beschloss der IWF, die gegenwärtigen
jährlichen und kumulativen Ziehungsobergrenzen beizubehalten, die
Politik in Bezug auf einen höheren Zugang aber später zu überprüfen.
Armutsbekämpfung
Die Verringerung der Armut in einkommensschwachen Ländern stellt
eine zentrale internationale Herausforderung dar, und der IWF spielt hier
weiterhin seine Rolle. Neben der Kreditvergabe unternahm der IWF im GJ
2002 eine Reihe von Schritten, um seine Unterstützung für Reform-
und Entwicklungsanstrengungen in einkommensschwachen Ländern zu verstärken
und auszuweiten.
- Der IWF erhielt Beiträge von fünf Mitgliedern in Höhe
von insgesamt rund 7 Mio. SZR, um den Gebührensatz der Notfallhilfe
für Länder nach der Beendigung von Konflikten zu subventionieren.
- IWF und Weltbank überprüften gemeinsam den Ansatz des Strategiedokuments
zur Armutsbekämpfung (PRSP), der zusammen mit einer soliden
Wirtschaftspolitik zu dauerhaftem Wachstum, zur Verrin gerung der Armut
und zur Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele der VN führen
soll.
- Der IWF unterstützte – gemeinsam mit der Weltbank, der
Asiatischen Entwicklungsbank und der EBWE – eine Initiative, die
sieben einkommensschwachen Ländern der GUS helfen soll,
das Wachstum und die Armutsbekämpfung zu beschleunigen.
- Bei einer Überprüfung der PRGF im März 2002
wurde die Notwendigkeit weiterer Fortschritte betont. Dies gilt für
die Gestaltung von Maßnahmen zur Verstärkung eines den Armen
zugute kommenden Wachstums, die Verbesserung der Qualität und Effizienz
der staatlichen Ausgaben, die Koordinierung der Programmgestaltung mit
der Weltbank und die Verbesserung der Kommunikation mit Behörden,
Gebern und der Zivilgesellschaft in PRGF-Ländern.
- Der IWF überprüfte den Stand der HIPC-Initiative und die
Fortschritte bei der langfristigen externen Schuldentragfähigkeit.
Gegen Ende des Jahres hatten die HIPC-Länder Zusagen in Höhe
von 40 Mrd. $ (auf nominaler Basis) für eine Schuldenerleichterung
erhalten.
Technische Hilfe und Ausbildung
Die technische Hilfe des IWF unterstützt die überwachungs-
und programmbezogenen Aktivitäten der Institution und hat in den
vergangenen Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Die Empfehlungen im Rahmen
des FSAP, die Anwendung von internationalen Standards, die Überprüfung
von Indikatoren für die HIPC-Initiative sowie die Bekämpfung
der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung haben zu einer steigenden
Zahl von Anträgen auf technische Unterstützung geführt.
- Im Verlauf des Jahres wurde das Regionale IWF-Zentrum für technische
Hilfe im karibischen Raum eingerichtet. Ende 2002 werden in Ost- und
Westafrika zwei weitere Zentren im Rahmen der IWF-Initiative für
den Aufbau der Kapazitäten in Afrika eröffnet.
- Das IWF-Institut hat das Ausbildungsangebot im Vergleich zum Geschäftsjahr
2001 um etwa 9 % erhöht. Durch die Eröffnung des Gemeinsamen
regionalen Ausbildungszentrums für Lateinamerika hat sich die Anzahl
solcher regionaler Zentren auf fünf erhöht.
Organisation, Haushalt und Mitarbeiterstab
Im GJ 2002 gab es einige bedeutende Änderungen im IWF.
- Der IWF verabschiedete den Ersten Stellvertretenden Geschäftsführenden
Direktor, Stanley Fischer, und den Wirtschaftsberater und Direktor der
Forschungsabteilung, Michael Mussa, und begrüßte als ihre
Nachfolger Anne Krueger und Kenneth Rogoff. Jack Boorman, der sein Amt
als Direktor der Abteilung Entwicklung und Überprüfung der
Wirtschaftspolitik (PDR) niederlegte, behielt seine Position als Berater
und wurde Sonderberater des Geschäftsführenden Direktors.
Sein Nachfolger als Direktor der Abteilung PDR wurde Timothy Geithner.
Gerd Häusler kam zum Fonds als Berater und Direktor der neuen Abteilung
Internationale Kapitalmärkte, die im GJ 2002 gegründet wurde.
- Das Unabhängige Evaluierungsbüro nahm seine Arbeit auf.
- Der interne Budgetprozess des IWF wurde durch eine Gruppe externer
Experten überprüft, die eine Reihe von Empfehlungen vorlegten.
Einige wurden bereits umgesetzt, andere Änderungen werden in den
Geschäftsjahren 2003 und 2004 eingeführt werden.
* * *
Nach Abschluss des Geschäftsjahres, am 23. Juli 2002, wurde die
Demokratische Republik Osttimor das 184. Mitglied im IWF.
1Mit
Stand vom 30. April 2002 betrug 1 SZR = 1,2677 US-$. |